Gedanken vor der Zusammenführung

Als Halter von Meerschweinchen kommt man irgendwann immer an dem Punkt an, wo sich einander fremde Meerschweinchen kennen lernen sollen. Ob nun ein eigenes Tier verstorben ist und man wieder Gesellschaft für das übrig gebliebene Schweinchen sucht oder ob man seine Gruppe vergrößern möchte - selbst wenn man seine Tiere abgibt, müssen sie neue Artgenossen kennenlernen.

 

Sozialisation heißt hier das Zauberwort! Dies bedeutet, im Idealfall ist ein Meerschweinchen in einer Gruppe von Artgenossen aufgewachsen und konnte im ersten 1/2 Jahr lernen, wie man sich mit Artgenossen auseinander setzt. (Wichtig: unkastrierte Bökchen können ab 3-4 Wochen zeugungsfähig sein, sie sollten niemals so lange bei Weibchen bleiben, es sei denn, sie wurden frühkastriert. Sie sollten in einer Bockgruppe das richtige Böckchenverhalten lernen).

 

Grundsätzlich lässt sich sagen, je besser ein Meerschweinchen sozialisiert ist, desto leichter wird es sich damit tun, Artgenossen kennenzulernen und sich in eine Rangordnung einzufügen. Es hat schließlich im Laufe seiner Entwicklung gelernt, wie man sich Argenossen gegenüber verhält, wie man sich unterordnet oder auch einen höheren Rang erkämpft. Es kann sich auf verschiedene Arten verhalten, wenn es z.B. einem "Chef-Schweinchen" gegenüber steht oder einem rangniederen Tier. Als Weibchen weiß es, wie man sich ein aufdringliches Männchen vom Leibe hält. Als Böckchen hat es vielleicht gelernt, wie man mit anderen Jungs zurecht kommt oder wie man einen Harem führt.

 

Meerschweinchen, die schon als Baby alleine oder nur mit einem Partnertier aufgewachsen sind, haben bei einer Vergesellschaftung häufig große Probleme, da sie nie gelernt haben, wie man sich anderen Schweinchen gegenüber verhält. Sie haben sich ihr Leben lang nur mit einem Artgenossen auseinander gesetzt und sich voll und ganz auf dieses Tier eingestellt. Sie können nicht wissen, dass andere Schweinchen sich anders verhalten als der eigene Partner. Häufig sind diese Tiere massiv überfordert und reagieren gestresst oder oft übersteigert aggressiv (Angriff scheint ihnen die beste Verteidigung zu sein).

 

Wir auch immer: Meerschweinchen brauchen Artgenossen! Sie sind hoch soziale Lebewesen wie wir Menschen auch. Wir dürfen sie nicht alleine leben lassen, nur weil es für uns so bequemer ist oder wir der Meinung sind, sie sind mit uns als Partner zufrieden. Das sind Meerschweinchen sicher niemals - wir möchten ja auch nicht für den Rest des Lebens von anderen Menschen getrennt sein. Wir würden verkümmern und krank werden. Meerschweinchen geht es genau so. Sie brauchen zum Glücklichsein mindestens ein anderes Meerschweinchen - auch wenn sie sich am Anfang mit dem Kennenlernen schwer tun.

 

Schließlich passt nicht auf jeden Topf der selbe Deckel. Sympathie spielt - wie bei uns Menschen - auch hier eine große Rolle.

 

Damit eine Zusammenführung oder Vergesellschaftung gut gelingt, bedarf es einiger kleiner Vorbereitungen:

 

  • ein neutrales Gebiet von ein paar Quadratmetern (damit keiner ein Heimvorteil hat und ein Revier)
  • ein paar neutrale Verstecke mit mindestens 2 Eingängen (damit der Rangniedere gehen kann, wenn das Chefschweinchen kommt - Pappkartons mit 2-4 Eingängen sind hier super)
  • einen Berg Heu (zum Fressen und Verstecken)
  • Wassernapf (die Zusammenführung kann auch mal Stunden oder Tage dauern - oder länger)
  • viel leckeres Gemüse im Gehege verteilt (Meerschweinchen lieben Fressen und manchmal ist ihnen das wichtiger, als dem Gegenüber eines auf "die Mütze" zu geben - außerdem dient es dem Stressabbau)

 

 

So könnte eine Vergesellschaftung aussehen:

Wichtig: Belassen sie die Tiere so lange in dem Vergesellschaftungsgehege, bis sie sich wirklich vertragen. Erst wenn alles zwischen den Tieren geklärt ist, sollte man sie in den Eigenbau o.ä. zurück setzen. Setzt man sie zu früh zurück, werden die "alten" Tiere ihr Revier u. U. verteidigen und die ganze Arbeit war umsonst.

 

So unterschiedlich wie die Charktere der Tiere sind, so unterschiedllich verlaufen auch die Zusammenführungen. Machmal hat man den Eindruck, es träfen sich alte Bekannte, manchmal wird ein wenig gemeckert und gejagt und manchmal wird ordentlich mit den Säbeln (oder Zähnen) geklappert, imponiert und sogar gekämpft. In diesem Falle springen sich die Tiere in der Luft an und versuchen ihr Gegenüber zu beißen.

 

Ob eine Vergesellschaftung Sinn macht oder besser abgebrochen werden sollte, lässt sich nicht pauschal sagen.

Ich bin der Meinung, es besteht so lange Hoffnung, so lange es Pausen beim Gejage gibt und sich die Tiere nicht ernsthaft verletzen.

Letztendlich muss man aber entscheiden, ob man es den Tieren antun will, in einer Notgemeinschaft zusammen zu leben oder ob man nicht vielleicht doch besser ein anderes Meerschweinchen als Partner wählen sollte. Wenn die Tiere wirklich zur Ruhe gekommen sind (also notfalls Tage später), könnte man mit einem anderen Artgenossen einen neuen Vesuch wagen.

 

Ich vermittele seit über 12 Jahren Notmeerschweinchen und ich habe festgestellt, dass es IMMER einen passenden Partner oder eine passende Gruppe gibt. Auch wenn es Wochen dauert, man sollte dem Tier zuliebe nie die Hoffnung aufgeben. Auch wenn es für das Tiere ein paar Wochen Stress bedeutet, ist dies doch immer noch besser, als ein Leben in Einsamkeit ohne Artgenossen.